DER BLOG DER QIVERSITY
Artikel zu Qigong, zu damit verwandten Themen und zu anderen.
Anspannung - Entspannung - Wohlspannung
Diesmal also ein „spannender“ Ausflug in die Progressive Muskelentspannung 🙂 Gerne werfe ich Seitenblicke auf benachbarte Disziplinen des Qigong; oftmals sind es die Disziplinen, die gemeinhin den Stempel Entspannung tragen. Ich weiß eben ganz gerne, was meine Kursteilnehmer alternativ machen, um sich zu entspannen bzw. um zu sich selbst zu finden.
Bei der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson spannt man nacheinander bewusst kurz einzelne Muskeln an, während der restliche Körper entspannt ist – dann wird der Muskel abrupt gelöst. Auf der Anleitungs-CD, die ich verwendet habe, nach folgender Reihenfolge: Hände/Oberarme, Stirn, Nase, Mund, Nacken, Schultern, Gesäß, Sonnengeflecht, Rücken, Ferse/Oberschenkel, Zehen/Unterschenkel. In der Abschlussübung werden alle zuvor separat angespannten Muskeln kurz zeitgleich angespannt. Nach etwa 30 Tagen kann man zeitsparend dazu übergehen, Muskelgruppen (also z.B. Stirn, Nase und Mund gemeinsam) anzuspannen. Dann dauert ein Übungszyklus nur noch zehn Minuten anstatt zuvor 30 Minuten am Tag.
Der PME wird nachgesagt bei Angst-, Schlafstörungen, chronischen Kopf- und Rückenschmerzen und Stress helfen zu können. Ich habe mich dem Verfahren „spaßeshalber“ angenommen. Nach dreißig Tagen finde ich es großartig, viele Muskeln einzeln in angespanntem und entspanntem Zustand wahrgenommen zu haben. Ich neige dazu, mich bei der Nutzung elektrischer Geräte wie Staubsauger oder Pürierstab komplett zu verspannen. Künftig wird es mir leichter fallen, die nicht benötigen Muskelgruppen außen vor zu lassen, denn ich habe meinen Körper diesbezüglich „geschult“. Auch im Chor wird mir vermutlich die PME von Nutzen sein, wenn es darum geht, Töne mittels unterem Rücken und Sonnengeflecht zu stützen und dabei in Schultern, Nacken und Gesicht völlig entspannt zu bleiben. Das ist bis jetzt nur eine Vermutung, aber es wird sich bei der ersten Chorprobe nach der Sommerpause zeigen 🙂
Eine ganze Menge in meinen Augen. Die PME ist ein hervorragender Schuhlöffel, um in eine gesteigerte Körperwahrnehmung zu kommen. Im Qigong spielt man ständig mit An- und Entspannung, in der Grundhaltung verweilt man in einer Wohlspannung, einem Zustand dazwischen. Wer mit An- und Entspannung umzugehen weiß, ist klar im Vorteil. Ich bin davon überzeugt, dass die PME – kontinuierlich geübt – und das geschulte Bewusstsein bezüglich spezieller Muskelgruppen vor allem zur Beginn im Qigong von großem Nutzen sein kann, um beispielsweise Fehlhaltungen zu vermeiden.
Bei der PME wird durch die Nase ein und durch den Mund ausgeatmet. Der Atem ist neben Bewegung und Vorstellungskraft eine der drei Säulen im Qigong. Die Konzentration auf den Atem bei der PME ist schlichtweg hilfreich bei der Erkundung des eigenen Atemrhythmus; diesbezüglich empfiehlt es sich, sich von der Anleitungs-CD bald zu trennen, um besser im eigenen Atemrhythmus üben zu können.
Im Umkehrschluss profitierte ich in der PME davon, bereits Qigong zu praktizieren. Ich sehe hier ganz wunderbare Wechselwirkungen:
Der Wechsel von An- zu Entspannung in der PME erfolgt abrupt und die Entspannung wird in den Muskelfasern fortgeführt. Aus der Qigong-Porentatmung war ich damit vertraut damit, über die Haut, weiter in das Blut, die Knochen und auf zelluläre Ebene hinein zu spüren. Das ließ mich die Entspannung definitiv intensivieren.
Ruhe statt Starre: Ich bevorzugte es im Üben der PME wie beim Qigong, mir eine Dynamik in der Anspannung beizubehalten d.h. die Anspannung kontinuierlich aufzubauen und den höchsten Punkt der Anspannung nur kurz zu halten. Dadurch fiel es mir wesentlich leichter auch den Atem über die ganze Übungsdauer hinweg sanft ein- und ausströmen zu lassen.
Vor allem bei den Gesichtsmuskeln nahm ich mir das Lächeln aus dem Qigong zu Hilfe. Es ließ mich gefühlt blitzschnell in die Entspannung der jeweiligen Gesichtspartie gleiten.
Als letzte Variante neben der PME-Kurz- und Langform im Liegen habe ich heute noch die Variante im Stehen ausprobiert. Sie reizt von daher, dass man sie weitestgehend auch in der Qigong-Grundhaltung ausführen kann 🙂
Betrachtet man diese Wechselwirkung so kann man ganz salopp bei der PME schon fast von Qigong sprechen oder es dazu machen 🙂 Meine Empfehlung also. Viel Freude bei Ausprobieren und vielleicht helfen meine Erfahrungen in irgendeiner Form weiter.
ÜBER DEN AUTOR
Daniel Steinbauer
Daniel Steinbauer ist Qigong-Lehrer aus Leidenschaft. Nach vier Jahren Ausbildung bei der Deutschen-Qigong-Gesellschaft e.V. und zehn Jahren Kurspraxis hat er 2023 die Qiversity gegründet, um sein Wissen und seine Erfahrungen weiterzugeben.